Nachdem Mia und Leon im Unterricht viel über Gesetze erfahren haben, wollen sie mehr über deren Entstehung wissen. Daraufhin hat ihr Lehrer ein Interview mit der Bürgerschaftsabgeordneten Sybille Lenzien organisiert. Kommt, wir hören einfach mal rein:
Leon: Woher kommen die Gesetze, die in unserer Gesellschaft gelten, und wer erlässt sie?
Frau Lenzien: In Hamburg werden Gesetze von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossen, also bin ich als eine von insgesamt 123 Abgeordneten auch daran beteiligt. Die von uns beschlossenen Gesetze gelten dann in ganz Hamburg. Gesetze, die in ganz Deutschland gelten, werden übrigens vom Bundestag unter Mitwirkung des Bundesrates verabschiedet.
Mia: Und wer hat die Ideen für diese Gesetze – auch die Bürgerschaft?
Frau Lenzien: Das ist unterschiedlich. Einige Gesetzesvorlagen, also Vorschläge für Gesetze, bringt der Senat, also unsere Landesregierung, in die Bürgerschaft ein. Er erkennt durch seine Funktion, Gesetze auszuführen, wo wir eine neue Regelung oder eine Gesetzesänderung brauchen. Und wie gesagt, bringen auch wir Abgeordnete Gesetzesvorschläge in die Bürgerschaft ein. Denn auch wir analysieren das Zusammenleben der Hamburgerinnen und Hamburger sehr genau und schließen aus Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, wo es gut wäre, neue Regelungen zu erlassen oder bestehende zu ändern.
Leon: Und wenn man das Gesetz vorgeschlagen hat, dann tritt es in Kraft?
Frau Lenzien: Oh, nein, so einfach ist das nicht. Je nach Parteizugehörigkeit der Senatorinnen und Senatoren und der Abgeordneten sind Gesetzesvorschläge zu den gleichen Themen manchmal sehr unterschiedlich. Deshalb wird viel diskutiert, bevor über ein Gesetz endgültig bei uns abgestimmt wird – in den Fraktionen, in den Ausschüssen, im Plenum!
Mia: Und die Bürgerinnen und Bürger – sind die denn gar nicht beteiligt an neuen Gesetzen?
Frau Lenzien: Doch, das sind sie. Und zwar auf verschiedene Weisen. Zunächst einmal grundsätzlich und immer auf indirekte Weise, denn alle Abgeordneten der Bürgerschaft wurden von den Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs gewählt. So können sie darauf Einfluss nehmen, wer für sie über Gesetze abstimmt. Dann gibt es so eine Art Zwischenform der Mitsprache, denn sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen oder Verbände können uns Abgeordnete in Sprechstunden, per E-Mail oder bei Veranstaltungen auf Probleme und Bedürfnisse ansprechen. In den parlamentarischen Fachausschüssen befragen wir Fachleute, um uns ein möglichst umfassendes Bild des Problems zu verschaffen.
Mia: Meine Eltern durften aber auch schon mal selbst über ein Gesetz abstimmen.
Frau Lenzien: Richtig, und hier sind wir dann quasi bei der dritten Ebene der Mitsprache angelangt, der direkten Beteiligung. Seit einigen Jahren gibt es in Hamburg die Volksgesetzgebung. Volksabstimmungen können von einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, die ein Problem im Zusammenleben der Hamburgerinnen und Hamburger sehen, angestoßen werden. Zu Themen von grundsätzlicher Bedeutung für die Stadt können auch die Bürgerschaft und der Senat eine Abstimmung aller Wahlberechtigten beschließen. Dies wird Bürgerschaftsreferendum genannt. In beiden Fällen stimmen die Bürgerinnen und Bürger direkt über neue Regelungen ab.
Leon: Berührt Ihre Gesetzgebung eigentlich auch unseren Alltag an der Schule?
Frau Lenzien: Ja. Die Hamburgische Bürgerschaft hat zum Beispiel das Hamburgische Schulgesetz verabschiedet, das neben dem Aufbau des Schulwesens in Hamburg unter anderem auch die Mitwirkungsrechte von Jugendlichen und ihren Eltern in der Schule und den Umgang mit Konflikten regelt. Das Schulgesetz wurde bereits häufiger überarbeitet, da es immer neue Situationen gab, die es erforderten, dass etwas geändert werden musste. Dies erfahren wir häufig von Eltern und Schülerinnen und Schülern, mit denen wir sprechen, die uns schreiben oder die uns in der Bürgerschaft besuchen.
Leon: Was, glauben Sie, würde passieren, wenn wir keine Gesetze hätten?
Frau Lenzien: Wenn keine Gesetze das Zusammenleben unserer Gesellschaft regeln und ordnen würden, würden wir im Chaos leben. Alle könnten tun, was sie wollen. Die bzw. der jeweils Stärkere könnte eigene Interessen mit Geld oder Gewalt durchsetzen.
Mia: Aber reichen allein Gesetze, damit es kein Chaos gibt?
Frau Lenzien: Nein, wir brauchen auch Gerichte, bei denen wir klagen können, wenn Gesetze nicht eingehalten werden, und Richterinnen und Richter, die prüfen und urteilen, ob Gesetze eingehalten werden. Nur dann können Gesetze zur Geltung kommen und stehen nicht bloß auf einem Papier.